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Neue Vorschriften für die Vorschriften

Gesetzgebungsprozesse reformieren

2022 bin ich vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gezogen, um ein spezielles Gesetz (das sogenannte Heizungsgesetz) vorerst zu stoppen, weil die Ampel es unter Missachtung der Parlamentsrechte in rekordverdächtiger Zeit und mit massiven Mängeln verabschieden wollte. Das Gericht gab mir vorerst Recht, stoppte die geplante Verabschiedung und ordnete an, das Gesetz vorher ausreichend zu beraten (denn genau das war bis dahin nicht geschehen). Ein Paukenschlag für die Ampel und eine Mahnung, die wir nutzen sollten, um mit unseren mangelhaften Gesetzgebungsverfahren aufzuräumen. Darum geht es in den folgenden Zeilen.

Wir brauchen nicht mehr Gesetze,

sondern Bessere

Deutschland sitzt in der Komplexitätsfalle – zu bürokratisch, zu starr, zu langsam.

Und das liegt nicht zuletzt an unseren „handwerklich schlecht gemachten Gesetzen“, wie prominente Vertreter des Bundesverwaltungsgerichts urteilen. Mal sei vor lauter Kleinteiligkeit keine grundsätzliche Richtungsentscheidung mehr zu erkennen, mal gebe es innere Widersprüche, mal handle es sich eher um Formelkompromisse als tatsächlich um Gesetze. Die Folge sind noch mehr Bürokratie, noch mehr Gerichtsprozesse und ein Land, das bei den wichtigen Transformationsprozessen auf der Stelle tritt. 

Die Schwäche unserer Gesetze ist umso fataler, als ihre Regelungsdichte seit Jahren zunimmt. 

Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit immer mehr Gesetze erlassen, die immer komplexer, schlechter, widersprüchlicher – und weniger wirksam wurden. 

Unsere völlig übereilten, zum Teil sogar schlampigen Verfahren beim Beraten und Verabschieden von Gesetzen kritisiere ich schon seit Langem, ja auch schon, als die Union noch Regierungspartei war!  Natürlich muss es in echten Krisensituationen auch mal schnell gehen und ein Gesetz binnen weniger Tage entworfen, beraten und verabschiedet sein (wie etwa zu Zeiten der Corona-Pandemie). Doch vor allem die Ampel hat dieses Tempo regelmäßig zum Normalfall werden lassen, unabhängig davon, ob die Situation besonderen Zeitdruck hergegeben hat oder nicht. 

Das wohl bekannteste Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz (auch Heizungsgesetz genannt). 

Ohne Not hat die Ampel das Gesetz durch das Parlament peitschen wollen, hunderte Seiten Änderungsanträge quasi ohne Lesezeit zur Abstimmung gestellt, fast keine interne Beratungen zugelassen. Und das ist fatal: denn dutzende Punkte sind bis heute ungenau, inkonsistent oder schlicht undurchdacht. Unbehoben werden diese Fehler zu Ungerechtigkeiten (etwa bei der finanziellen Förderung), Unklarheiten (etwa bei den Anforderungen an die verpflichtende Energieberatung) oder gar zur völligen Zielverfehlung führen (etwa wegen falsch gesetzter Anreize). Denn bislang kann die Bundesregierung den CO2-Einspareffekt des neuen Gesetzes nicht beziffern. Dem Klimaschutz hätte man einen Bärendienst erwiesen. Und die Wärmewende bliebe weiter auf Eis, mit noch längerer Unsicherheit bei Bürgerinnen und Bürgern sowie der Immobilien- und Energiebranche.

Unbequem der Sache wegen

für bessere Gesetze gehe ich sogar nach Karlsruhe

Trotz der angeordneten Verschiebung der Beratung und Verabschiedung des Gesetzes setzte die Ampel das Gesetz einige Wochen nach der Entscheidung des Gerichts unverändert auf die Tagesordnung des Bundestages und verabschiedete es mit Stimmen der Koalition. Die genannten Inkonsistenzen bestehen damit bis heute.

Doch über meinen Antrag in Karlsruhe ist in der Hauptsache noch nicht entschieden. Ich gehe daher davon aus, dass das Thema noch nicht erledigt ist. Und das ist gut – ganz speziell für dieses eine Gesetz (aus den oben genannten Gründen), aber noch viel mehr für alle weiteren Gesetzgebungsverfahren.  Denn je nachdem, wie das Gericht entscheidet, werden wir als Parlamentarier angehalten sein, unsere Gesetzgebungsverfahren gründlich zu überarbeiten. Mein Ziel sind neue Standards, wie wir Gesetze zukünftig gestalten wollen, damit das Ergebnis zielgenauer, widerspruchsfreier und vor allem handwerklich sauber wird – für bessere Wirtschaftspolitik, effektiven Klimaschutz, bessere Migrationspolitik oder auch eine gerechtere Sozialpolitik. Für ein Land in guter Verfassung.